Heute war Weihnachten.

 
Aber erst heute Abend! - Jetzt war es noch ganz hell und auf der Straße und im Garten, denn es war noch Tag.
"Heute Abend ist Weihnachten", zwitscherten die Spatzen sich im Garten gegenseitig zu, und dann flogen sie zu den Bäumen und Sträuchern hin, um es denen zu erzählen.
Aber sie wussten es schon.
"Wir haben gesehen, wie der Christbaum in das Haus getragen wurde", sagten sie.

Die Spatzen hatten aber noch viel mehr gesehen, denn neugierig wie sie nun einmal waren,

hatten sie sich den ganzen Nachmittag auf dem Fensterbrett herumgetrieben und in das Zimmer geguckt, worin die Weihnachtsbescherung aufgebaut war.
"Den Christbaum", sagten sie, "haben wir auch gesehen; aber wir hätten ihn beinahe nicht
  wieder erkannt, so schön war er geschmückt mit Äpfeln und Nüssen und Gold und Silber und bunten Papierketten."
"Wie schön!" sagten die Bäume und Sträucher und blickten traurig auf ihre kahlen Äste nieder.

Da waren nicht einmal mehr Blätter daran. Und der große Apfelbaum auf dem Rasenplatz gedachte wehmütig der schönen Zeit, in der er auch voll schöner roter Äpfel gehangen hatte.
"Vielleicht sind es meine Äpfel, die nun an dem Christbaum hängen", sagte er.

Das wussten freilich die Spatzen nicht; aber viel anderes wussten sie und erzählten es.
"Der kleine Junge, der Richard, der kriegt eine Kappe und Hermine einen Mantel und

ein Buch mit Geschichten; wir haben das alles auf dem Tische liegen sehen;

auch eine schöne warme Decke für die Großmutter lag dabei, damit sie nicht friert.

Aber das schönste, das kommt erst noch! Heute Abend, wenn die vielen Lichter

an dem Christbaum erst alle brennen. Das wird herrlich!"
"Ja - ihr habt`s gut", brummte die dicke Pumpe, die auch im Garten stand. "

Unsereins kriegt keine Geschenke und sieht nichts von Christbaum und Lichtern.

Wenn ich doch auch fliegen könnte!"
Darüber mussten die Spatzen nun furchtbar lachen. Es war doch auch zu komisch,

zu denken, dass die dicke Pumpe fliegen könne.
Die andern im Garten gaben alle der Pumpe recht. "Wenn man wenigstens eine Kappe

geschenkt bekäme", riefen die hölzernen Pfähle des Gartenzauns.
"Oder einen schönen Mantel", meinte das Dach der Laube. Der Rasen wollte lieber eine warme Decke haben wie die Großmutter, um seine Grashälmchen damit zuzudecken,

denn die froren gar gewaltig in dem kalten Winter.
"Ein Buch mit schönen Geschichten wäre auch nicht übel", sagten die Sträucher.

"Es ist doch manchmal ganz entsetzlich langweilig im Winter, wenn keine Schmetterlinge und Vögel kommen, um uns was zu erzählen."
So wünschte sich alles im Garten etwas. Ja - wünschen konnten sie sich schon -

aber wer sollte die Wünsche alle erfüllen? Das Christkind etwa?

Ach - das hatte wahrhaftig gerade genug mit den Menschen zu tun.
Traurig blickten Bäume und Sträucher und der Rasenplatz und die Zaunpfähle

zum Himmel hinauf; da war es ganz grau.
"Es ist schon das Klügste, wir schlafen ein", sagte der Rasen.

"Zu sehen bekommen wir ja doch nichts von all den Herrlichkeiten; es ist ja auch schon

ganz dunkel geworden." Die anderen dachten das auch, und bald darauf war es im

ganzen Garten mäuschenstill. - Alles schlief.
Aber was war das, das plötzlich oben vom Himmel herunter kam? Lauter kleine

weiße Flöckchen, - Schneeflocken waren es. Was wollten sie wohl? Warum kamen sie herunter auf die Erde? Und so leise kamen sie , so leise, dass man sie gar nicht hörte!

Und nur ganz sachte sprachen sie miteinander.

 

unbekannt